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Aurora
      
 
 Stechern
     
 
 
 
Der Besitz
 
Was hat der Mensch, das einzig ihm gehört? -
Was in dem großen, weiten Weltenraume,
In den des Schicksals Woge ihn empört
Geworfen, nur zu kurzem Lebenstraume?
 
Nicht eine Blume blüht für ihn allein,
Er muß sie teilen, And're mitgenießen
Des Duft's, der Farben Pracht, wenngleich sie sein,
Bald liegt sie welk, entblättert ihm zu Füßen.
 
Sie ist! und Minuten heißts: Sie war!
Und so wie sie ist alles Erdgeborne!
Was man Besitz nennt währt Sekunden zwar,
Doch länger nicht, und reiht sich an's Verlorne.
 
Die uns das Leben gaben, heilig Band
Der Elternlieb', wie bald ein Raub der Grüfte!
Schon an der Wieg' starrt oft der Mutter Hand,
Das treue Herz, das uns zum Leben schiffte.
 
Und oft das treuste auch! hell wie der Stern,
Der bei dem Monde ausharrt, Tag und Nächte,
Sein leuchtender Genoss', ihn leitend gern,
Ist oft der Mutter Lieb' uns einzig echte.
 
Denn was ist Liebe als ein Sonnenstral
Der Herzen Erz zu ew'gem Bund zu schmieden!
Weh' er erblaßt verfrüht, und ohne Zahl
Sehn in Atome wir das Glück zerstieben. -
 
Der Freund? - Mein Gott, wie oft verliert man ihn
Und - man kann härter als durch Tod verlieren,
Noch an ein ander Grab, so ewig grün
In uns'rer Brust, das wir mit Tränen zieren.
 
Fürwahr, wie kurz der Blume Tag auch sei,
Den sie Besitz uns lügt, sie ist noch wahrer
Als Freundschaft, Lieb' und Treue, diese drei
Sie sind ein Traum, ein schöner, wunderbarer!
 
Was hat der Mensch, das einzig ihm gehört? -
Nichts in dem weiten, weiten Weltenraume!
O Elend »Nichts!« - sein eignes Herz zerstört,
Er giebt es hin mit diesem letzten Traume!