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Carl Wilhelm Otto August von Schindel (1776-1830)

Über die Schriftstellerei der Frauen und ihren Beruf dazu. *)

Wenn Wieland in einem Aufsatze seines neuen deutschen Merkurs (Jahrg. 1803. April.) »über Deutschlands Dichterinnen«, die Gesammtzahl der im letztverflossenen Jahrhunderte verstorbenen deutschen Dichterinnen auf ungefähr 20 angibt, so ist es immer eine merkwürdige Erscheinung, wenn uns jeder Meßkatalog vielleicht 8-10 neuauflebende Musenfreundinnen zeigt, und die Zahl der Deutschland angehörigen Schriftstellerinnen dieses Jahrhunderts, die in demselben verstorbenen mitbegriffen, wenigstens weit über 550 steigt. Zwei Fragen werden ganz natürlich erregt: wie ist diese Erscheinung zu erklären, und verdient sie Lob oder Tadel? - Vielfach ist letztere schon in unsern Tagen besprochen, vielleicht durch dieses literarische Handbuch selbst mehr noch aufgeregt worden; und man hat dem Verfasser desselben wohl auch in sehr achtungswerthen kritischen Zeitschriften den Vorwurf gemacht, daß er durch Aufstellung von Beispielen die Nachahmungssucht vermehren möchte. - Die Urtheile über die Sache selbst sind sehr verschieden und zum Theil widersprechend. - Einige tadeln fast jede Schriftstellerei der Frauen, als ihrem eigenthümlichen Berufe fremd, und sprechen ihr alles Verdienst ab, da sie nur, von Eitelkeit geleitet, glänzen wollen, und darüber die Pflichten der Haushaltung und Kinderzucht vernachlässigen und unglückliche Ehen befördern. Es fehlt aber auch nicht an Stimmen, welche diese Erscheinung als einen Beleg der fortschreitenden Cultur unseres Zeitalters und einer glücklichern Generation preisen, und sich in schmeichelnden Lobeserhebungen der schriftstellernden Frauen im Allgemeinen ermüden. - Zwar hat, außer frühern Schriftstellern, die Feder eines Mitarbeiters in einem sehr gelesenen Journale diesen Gegenstand ziemlich weitläuftig behandelt: aber eben weil dieser Aufsatz von einer, obschon sehr geistreichen, Schriftstellerin selbst herrührt, wie der Verfasser später erfahren, möchte auch er vielleicht dem Vorwurfe der Parteilichkeit nicht entgehen. - Es sey mir daher erlaubt meine eigenen individuellen Ansichten über die Schriftstellerei der Frauen und ihren Beruf dazu, bescheiden zur Prüfung darzulegen.
 
Zuerst scheinen die Urtheile beider Parteien, der lobenden, wie der tadelnden, wenn sie im Allgemeinen absprechen, wie es so oft der Fall ist, übertrieben zu seyn. Wenigstens dürfte der zu große Eifer des Tadels wohl leicht den Vorwurf eines männlichen Stolzes erregen, als ob wir Männer uns allein befugt und berufen erklärten, unsere Stimme öffentlich zu erheben und als Schriftsteller aufzutreten, das andere Geschlecht aber unter keiner Bedingung berechtigt, oder gar nur fähig sey, ein Geistesproduct zu liefern. Dürfte überhaupt die letzte Behauptung schwer zu vertheidigen seyn, so möchten wir wenigstens nicht gern der spitzigen Feder einer sich durch Talent und Geist auszeichnenden Schriftstellerin, die strenge Prüfung der Frage überlassen: wie manches Buch eines männlichen Verfassers, ohne Nachtheil für die Mit- und Nachwelt, hätte ungeschrieben bleiben können.
 
Richtiger dürfte also wohl die Frage dahin zu stellen seyn: ob das Weib einen eigenthümlichen Beruf habe, der mit dem der Schriftstellerei nicht zu vereinigen sey?
 
Nun wird allerdings jede vernünftige und nicht verbildete Frau den schönen und großen eigenthümlichen Beruf ihres Geschlechts, Gattin, Hausfrau und Mutter zu seyn, nicht verkennen. Alles in der Organisation dieses Geschlechts, in den physischen und geistigen, so eng mit einander verbundenen und durch jene bestimmten Anlagen, in den Erscheinungen der frühesten Kindheit mit ihren Spielen und Neigungen, - von denen des männlichen Geschlechts so sehr verschieden - deutet so deutlich auf ihn hin. Und gewiß ist das weibliche Wesen, das diesen Beruf treu erfüllt, das größte und erhabenste Geschöpf der irdischen Welt. Das wahre Verdienst und die Würdigkeit unserer Handlungen und unsers Seyns überhaupt, wird ja nicht durch die weite Ausdehnung des Kreises unsers Wirkens, der so sehr von zufälligen Umständen und dem Standpuncte, den uns die Vorsehung in der bürgerlichen Welt anwies, sondern durch den innern Geist, der unsere Handlungen leitet, bestimmt. Ist nicht das Weib, das, als den Mann beglückende Gattin, als zärtliche und treue Mutter, oft mit Entsagung aller Reize des zerstreuenden Lebens, im stillen häuslichen Kreise inniges häusliches Glück, Zufriedenheit und Segen verbreitet, groß genug? Und lassen sich selbst die fortwirkenden Segnungen auf die entferntesten Generationen, durch die Bürger des Menschengeschlechts, die trefflichen Müttern ihr Daseyn verdankten und durch ihre Erziehung, ihr frommes Beispiel und Lehren, edle Menschen und nützliche Glieder der Gesellschaft wurden, nach ihren Grenzen bestimmen? Stimmt nicht das Geständniß der größten Denker, eines Gellert, Garve, Lavater, v. Hippel, Herder u. A. mit dem dankenden Gefühle, das sich im gemeinen Menschenleben in einer stillen Zähre, die unwillkürlich beim Andenken an längst vorangegangene Lieben unser Auge feuchtet, ausspricht, überein, daß der Sinn und das Beispiel einer edlen und frommen Mutter ganz vorzüglich auf die Charakterbildung auch des ernsteren Mannes einwirkt?
 
Wahr dürfte es also wohl seyn, die Pflichten des häuslichen Kreises fordern das Weib in jenen Verhältnissen zu so vielen Beschäftigungen auf, daß es wohl zu besorgen ist, es werde, wenn dasselbe als Schriftstellerin auftritt, leicht in Gefahr kommen, jenen heiligen Beruf nicht in vollem Maße zu erfüllen, und im Allgemeinen beides schwer mit einander vereinigen können. - Dennoch dürften wir auch hier uns vor zu harten Absprechungen über einzelne Fälle zu hüten haben. Ich führe als Beispiele vier sehr geachtete Frauen an: die verstorbene Friederike Lohmann, die Gellert bis an seinen Tod seiner vertrauten Freundschaft und Briefwechsels würdigte, als Mutter einer zahlreichen Familie; - die verstorbene Sophie Ludwig, gleichfalls im mütterlichen und häuslichen Kreise segensvoll wirkend; - die noch lebende Geheimeräthin Engelhard, geb. Gatterer, eine Mutter von zehn noch lebenden, von ihr mit sorgfältiger Treue erzogenen Kindern; - und die ebenfalls noch lebende Elise Sommer, geb. Brandenburg, die zehn Kinder nur mit Hülfe eines Dienstmädchens erzog, alle Arbeiten der Nadel und des Strickens für ihre Haushaltung selbst besorgte, ohne einen Schneider für sich und ihre Töchter zu brauchen und ihrem als Kanzleisecretair angestellten Gatten 12 Jahr einen Schreiber durch Abschreiben großer, ihr oft unverständlicher Actenstöße ersparte: - welche vier Frauen sämmtlich durch zum Theil sehr zahlreiche Schriften die Vorzüge ihres Geistes und Herzens beurkundeten. Allein, wie die geistreiche Verfasserin jener Briefe im Conversationsblatte bemerkt, haben denn alle Frauen Gattinnen- und Mutterpflichten? Bleibt manche nicht ungesucht von einem Manne zur Gefährtin des Lebens? Entbehrte nicht manche in der Ehe das größte Glück der Mutterfreuden, oder sah ihre Kinber früh hinsterben, oder wurde Witwe, oder ist jetzt nicht mehr durch jene süßen heiligen Pflichten ihres höhern Berufs gebunden? Wie manche fand auch in den Beschäftigungen mit den Wissenschaften und eignen Versuchen entweder eine edlere Erholung und Genuß, als in dem leeren und faden Kreise der gesellschaftlichen Zirkel ihres Orts, oder Erheiterung und Trost für tiefen Schmerz, wie Theophania, oder benutzte ihre Talente, sich eine Erleichterung für drückende Sorgen zu schaffen, wie die unglückliche Gabriele v. Betsany, die Marquise v. Souza, Albertine Pfranger. Sehr häufig hat man in Bezug auf schriftstellernde Frauen den Vorwurf vernommen, daß ihr Schriftstellern unglückliche Ehen veranlasse. Ja einige Zeitschriften haben bei der Recension dieses literarischen Handbuchs sich selbst die Mühe genommen, zur Bestätigung dieses Vorwurfs, die Beispiele von Personen aufzuzählen; so sehr der Verfasser auch es sich zur Pflicht machte, häusliche Verhältnisse nur insofern zu berühren, als sie auf die Bildungsgeschichte der Frauen Einfluß hatten, oder allgemein bekannt sind. Aber auch hier dürfte man, in der Allgemeinheit geurtheilt, so leicht fehlen und in den Fällen, wo wirklich solche Frauen unglücklich sind, den Begriff der Ursache und Wirkung in das Factische hineinlegen. - Das Leben schriftstellernder Frauen liegt offener da, als das derer, die es nicht sind, und schon deshalb ist eine Vergleichung schwer; - und könnten nicht bei einer solchen Aufzählung Beispiele von Schriftstellerinnen entgegengestellt werden, die, durch Geist und Talent sich auszeichnend, glückliche Gattinnen und Mütter waren, eine Engelhard, Betsany, v. Freigang, v. Herder, Sommer, Naubert. - Selbst zugegeben, daß manche schriftstellernde Frau sich am Schreibtische mit phantastischen Dichtungen beschäftigt, und darüber die Pflichten der Haushaltung und die Pflege und Erziehung ihrer Kinder - der sich ihr Gatte, durch Amts- und Berufs-Geschäfte gehindert, nicht widmen kann - vernachlässigt, und dieser wohl im Stillen über den Ruhm der Gelehrsamkeit seiner Gattin seufzt: so trifft der Vorwurf doch nur, wie schon bemerkt, die Schriftstellerin in diesem einzelnen Falle. - Aber, mögen wir auch mit Wahrheit behaupten, daß bei dem in unsern Tagen so häuffigen Mißverhältniß der Ehen, blos und allein auf dem weiblichen Theile die Schuld lastet? Wohl klagen wir über die Fehler des andern Geschlechts und der Erziehung desselben, vielleicht auch nicht ohne Schein des Rechts: vergessen aber, welch ein großer Theil der Verschuldung uns, das männliche Geschlecht selbst, trifft, und wie die unbefangene, der Natur treuere Jungfrau sich dem sie vergötternden Liebenden vertrauend hingibt und nach den ersten Flitterwochen der Ehe denselben in einer ganz andern Gestalt erblickt. Und sollten denn nicht auch die Fälle Berücksichtigung verdienen, wo die gebildete Frau, durch ein eisernes und ungünstiges Geschick an einen ihr an Geist und Moralität ganz unähnlichen Gatten, der sich vielleicht nirgends weniger als im häuslichen Kreise wohlgefällt, gefesselt, in der Selbstunterhaltung mit den Wissenschaften und der Ausbildung ihres Geistes den Trost und die Erheiterung sucht, die ihr freilich ihr häuslicher oder näherer Kreis der Umgebungen zu schenken nicht vermögen?
 
Eine zweite Frage ist aber: täuscht sich die schriftstellernde Frau, wenn sie ihrer Neigung folgt, mit ihren Ideen öffentlich aufzutreten, vielleicht in Hinsicht ihrer geistigen Fähigkeiten dazu? Sind die harten Urtheile über den Werth der Schriften der Frauen gegründet, oder zu allgemein? oder ist die Autorschaft nur ein unserm Geschlecht vorzubehaltendes ausschließliches Eigenthumsrecht? - Es hat nicht an weiblichen und selbst an männlichen Schriftstellern gefehlt, die in der bürgerlichen Stellung und Erziehung des weiblichen Geschlechts den Hauptgrund andeuteten, weshalb das Weib es in den Wissenschaften nicht eben so weit wie die Männer bringen könne, da es doch nach einerlei logischen Gesetzen begreife, urtheile und schließe, und desselben Grades der Ausbildung fähig sey. Ich nenne unter diesen eine Wolstonecraft, über die Rechte des Weibes; Amalie Holst, über die Bestimmung des Weibes zur höhern Geistesbildung, und den berühmten Philosophen v. Hippel, über die bürgerliche Verbesserung der Weiber. Nun mögen wohl die in diesen Schriften aufgestellten Sätze nicht ganz dem Vorwurfe der Übertreibung entgehen, und man dürfte ihnen wohl mit Grund entgegenstellen, daß jener so schöne und große, dem Weibe eigenthümlich angewiesene Beruf im häuslichen Kreise segensvoll zu walten und zu wirken, durch eine allgemeine Bildung zur eigentlichen Gelehrsamkeit, und eine Gleichsetzung mit dem männlichen Geschlechte in dem Geschäftskreise des bürgerlichen Lebens, gewiß höchst nachtheilig gefährdet sey. Dennoch werden eine Christine von Schweden und Catharine II. auf dem Throne, eine Dacier, Schurmann, Gottsched, Reiske, v. Rodde-Schlözer und noch so manche andere, als gelehrte Frauen glänzen und zu den seltnern ihres Geschlechts gehören, und sie werden, besonders v. Rodde-Schlözer, den Beweis darüber führen, was Erziehung und Ausbildung natürlicher Talente vermögen. - Der scharfe Psycholog wird aber auch in dem weiblichen Geschlechte in der Allgemeinheit gewisse eigenthümliche, in seinem ganzen Wesen beruhende und durch seine Stellung in der bürgerlichen Gesellschaft noch mehr ausgebildete und entwickelte moralische Eigenschaften erkennen, in denen es unser Geschlecht übertrifft. Ich rechne hierunter eine größere Gewandtheit des Geistes und der Phantasie, eine mit dem physischen Fortschreiten Hand in Hand gehende zeitiger fortschreitende Ausbildung seiner Anlagen, und eine feinere und größere Menschenkenntniß, verbunden mit einem feinen Gefühle des ästhetisch und moralisch Schönen und Schicklichen. - Ist aber jene feinere Menschenkenntniß, jener Beobachtungsgeist schon in der größern Gelehrigkeit und Gewandtheit der intellectuellen Kräfte überhaupt begründet, so finden beide in dem Gefühle der Nothwendigkeit, bei seiner Stellung gegen das männliche Geschlecht in der bürgerlichen Welt und in der Erziehung, im Stande des jungfräulichen Lebens, desto größere Schärfung. Daher jene feinere, dem weiblichen Geschlechte so besonders eigene Lebensklugheit, die bei dem männlichen nur das oft leider mit traurigen Erfahrungen erkämpfte Gut ist, welches der erfahrne Greis aus dem Umgange mit der großen Welt als Beute, nach manchen Kämpfen, in die Einsamkeit, in die er sich so gern zurückzieht, um fern von den Menschen zu seyn, hinübernimmt. Daher der so tief eindringende Blick in die geheimsten Falten des Herzens der Männer, der das Urtheil der Frauen so oft richtig leitet und dies Urtheil um desto fester begrundet, je mehr jene natürliche Gewandtheit des Geistes durch so manche, dem Geschlechte eigene und durch ihre Stellung nothwendige Interessen und durch das Leben im häuslichen Kreise und den feinsten und zartesten Verhältnissen desselben geschärft wird. Wer mag hiernachst das Große und Erhabene in dem ganzen Wesen des weiblichen Geschöpfs, das lebhafte und innige Interesse für Erziehung des Menschengeschlechts und alles, was darauf Bezug hat, verkennen? Wer sollte nicht ehren und werth achten das in dem unverbildeten Weibe, auch im frühesten Alter vorherrschende warme und innige Gefühl für religiöse Gegenstände, welches ihm die Vorsehung als tröstenden Schutzengel für so manche, mit seiner physischen Organisation und großen edlen Bestimmung verbundene Widerwärtigkeiten und Leiden des irdischen Pfades, und für so manche fesselnde Beschränkungen der natürlichen Freiheit, welche die bürgerliche Verfassung einführte, segnend verlieh?
 
Sollten mithin nicht die Frauen, vornämlich für gewisse Gegenstände der Literatur, jene ihnen eigenthümlichen Talente benutzen können? Ich rechne zu diesen Fächern:
 
1) Poesie, besonders der leichten erzählenden Gattung, und solche, in welcher sich ein ernsteres oder religiöses Gefühl ausspricht. Wer wird nicht mehrern unsrer Dichterinnen, einer Mereau, v. d. Recke, Fried. Brun, v. Baumberg, Sommer, Pichler, v. Artner, v. Helwig und mehrern neuern, die nur einzelne Blumen der Dichtkunst uns schenken, z. B. Agnes Franz, Theophanien, Clotilden u. a. ; - gesetzt auch, daß die Dichtungen nicht gerade Meisterwerke der Poesie wären, gern eine Erholungsstunde schenken? - Minder scheint jedoch, wenigstens im Allgemeinen das Epos für die weibliche Feder geeignet.
 
2) Romane und Erzählungen. - Es ist hier nicht der Ort, über Nützlichkeit, Schädlichkeit, oder wenigstens Entbehrlichkeit dieser Gattung der Literatur zu sprechen: aber legt man ihr einigen Werth bei, dann scheint mir gerade dieses Fach am meisten für die weibliche Feder ein angemessener Gegenstand. - Eben jener feine Beobachtungsgeist und Kenntniß der häuslichen Verhältnisse muß den Frauen bei dieser Art Schriften sehr zu statten kommen; und sie werden nicht blos uns Männer sehr richtig, sondern, wenn sie aufrichtig seyn wollen, ihr eigenes Geschlecht weit wahrer zeichnen, als eine männliche Feder, weil sie weit vertrauter mit den feinsten Erfindungen und Neckereien des menschlichen Herzens bekannt sind. Aber sie vermögen auch gewiß weit treffender das Feinere und Edlere der ersten Annäherung der Empfindungen beider Geschlechter und der Liebe in ihren kleinsten Nuancen zu schildern. Ihre lebhafte Einbildungskraft wird der Erzählung ein eignes Colorit geben, und indem sie von frühster Jugend in ihren sanfteren Gefühlen des traulichen häuslichen Lebens lebten und webten, den Gang der Schicksale ihrer Helden mit größerem Interesse entwickeln und dabei das Frostige und Langweilige männlicher Schriftsteller vermeiden. Besitzt die weibliche Schriftstellerin nur einige wissenschaftliche Kenntnisse, so werden ihre Arbeiten in diesem Fache um so mehr an Reiz und selbst Belehrung, besonders für die weibliche Welt, gewinnen. Gewiß aber ist so viel, daß ihr feines Gefühl des Schicklichen sie vor den Fehlern bewahren wird, die die Schriftsteller unsers Geschlechts in diesem Fache so oft begehen, wenn sie durch ihre Darstellungen mit allen reizenden Farben der Sinnlichkeit oft die Unschuld vergiften. Doch, um einige Beispiele anzuführen, spricht nicht die allgemeine Stimme der Achtung für die Schriften einer la Roche, Benedicte Naubert, Pichler, Therese Huber, Johanna Schopenhauer, Tarnow, - denen noch manche andere verglichen zu werden verdienen. - Der Agathokles von Caroline Pichler ist gewiß ein Meisterwerk, wegen seiner moralischen und religiösen Tendenz von kaum übertroffenem Werthe; und die Schriften der Bened. Naubert, die Gegenstände der wahren Geschichte zu ihrer Bearbeitung wählte, sind selbst für den Geschichtsfreund unterhaltend und durch ihre eigne Art der Behandlung lehrreich **).
 
3) Eben so sind wegen jenes Beobachtungsgeistes auch Reisebeschreibungen ein sehr glückliches Product der weiblichen Feder, und wer achtet nicht die Schriften einer Huber, v. d. Recke, Hermes, Schopenhauer?
 
Wenn aber 4) das Weib von frühester Kindheit und Jugend an so sehr für den häuslichen Wirkungskreis und die edle Bestimmung als Gattin und Mutter lebt und gebildet wird, so ist es auch wohl besonders geeignet, über diese Gegenstände seine Gedanken auszusprechen; und wer wird nicht gern die lehrreichen Erfahrungen und Bemerkungen der Hausfrau und Mutter, oder der Erzieherin, in Schriften mitgetheilt, achten und schätzen? Ich übergehe die Schriftstellerinnen über die Haushaltungskunst, die, da wir nun einmal, so lange wir hier im Erdenleben wallen, auch für das Vehikel unsers geistigen Wesens sorgen müssen, immer ihren Werth haben. Aber um so größeres Verdienst haben die auf Erfahrung gegründeten Schriften einer la Roche, Caroline Rudolphi, Antonie Wutka, v. Krosigk, Wilh. v. Halberstadt, Betty Gleim, als zum Theil sehr geachteter Erzieherinnen von Töchterschulen, von denen einige in den von ihnen gebildeten Erzieherinnen noch jetzt segensvoll fortwirken.
 
Wenn also auch Frauen weniger für Bearbeitung reinphilosophischer Gegenstände Beruf haben sollten, so werden ihre Schriften in jenen Fächern der Literatur immer ihren Werth haben, und die gebildeten Verfasserinnen derselben sich mit manchem Autor unsers Geschlechts messen können und vielleicht selbst den Vorrang über ihn behaupten.
 
Nur nach diesen Vordersätzen dürfte man wohl zur Beantwortung der endlichen Frage übergehen können: ob die jetzt bemerkliche so große Zahl der Producte weiblicher Schriftstellerinnen ein Gewinn für unsere Literatur sey? - Gewiß ist diese gegen die Vorzeit auffallende Erscheinung ein Beweis der fortgeschrittenen geistigen Ausbildung des weiblichen Geschlechts, durch unser jetziges Erziehungswesen begründet. Wenn noch vor ungefähr 50 Jahren das weibliche Geschlecht von aller wissenschaftlichen Bildung so sehr zurückgehalten wurde, daß nur in den sogenannten höhern oder vornehmern Ständen ein Mädchen, außer dem Religionsunterricht, einige Bekanntschaft mit andern geistigen Wissenschaften erhielt, in den mittlern Ständen aber wohl selbst vom Schreiben eines Briefes oder Aufsatzes zurückgehalten wurde, weil man der Meinung war, es sey nur die Ausbildung zu einer sorgsamen Hausfrau in Küche und Keller nöthig: so ist es gewiß eine erfreuliche Erscheinung, daß in unsern Tagen auch die geistigen Talente des weiblichen Geschlechts mehr ausgebildet werden, damit der gebildete Mann in der, die das Glück seiner Tage schaffen soll, nicht blos die pflegende Hausfrau, sondern auch die durch Ähnlichkeit in der Kultur ihm achtungswürdige Freundin finde und weit inniger schätze. - Daß unser Zeitalter freilich sich so oft in Übertreibungen und Excentrischem verirrt, hebt immer das Gute nicht auf. - Daß manche Schriften unserer Frauen eines innern Werths ermangeln, oder wenigstens ungedruckt nicht vermißt werden würden, daß bei manchen vielleicht Eitelkeit oder Nachahmungssucht die Triebfeder ihrer Autorschaft ist, - mag nicht bestritten werden: trifft dieser Ausspruch nicht aber auch eine große Zahl der Schriftsteller unsers Geschlechts? - Nur hüte man sich vor absprechenden Urtheilen im Allgemeinen, die so leicht an Vorurtheile grenzen! - Ehre den Frauen, die durch ihre Schriften wirklich das Gefühl für das Schöne und Gute ansprechen, unterhalten, und besonders für ihre Mitschwestern lehrreich sind: sie mögen fortfahren zu erfreuen und zu nützen! - Die aber sich berufen fühlen, im Tempel der Musen zu arbeiten, ohne vom Vater Apoll einen wirklichen Aufnahmebrief vorzeigen zu können, - nun unsere scharfen Recensenten werden ihren Frevel schon züchtigen, oder, wenn sie so glücklich sind, ihrem Späherblick zu entgehen, - so werden ihre noch so schön gedruckten Geistesproducte bald als Maculatur die ihrer rühmlicheren Schwestern umhüllen.
 
 
*) Dieser Aufsatz war eigentlich zu einem Vortrage bei der Hauptversammlung der oberlausitzer Gesellschaft der Wissenschaften bestimmt; das ermunternde nachsichtige Urtheil sehr achtbarer Männer ist Veranlassung, daß er, verbessert, hier mit aufgenommen ist.
 
**) Selbst Schiller soll zu seiner Geschichte des dreißigjährigen Krieges und seinem Wallenstein ihre Geschichte der Gräfin Thekla von Thurn benutzt haben.
 

Textvorlage: Carl Wilhelm Otto August von Schindel: Die deutschen Schriftstellerinnen des neunzehnten Jahrhunderts, 3. Theil, Nachträge und Berichtigungen enthaltend. Leipzig: Brockhaus 1825, S. V-XXVII.

 
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