Zur Startseite
 
Inhalt      Register
 
 
< voriges Gedicht           nächstes Gedicht >
 
Elisabeth
(1808-
 
 Kulmann
1825)
 
 
 
An den Himmel
 
O schöner, blauer Himmel,
Der über mir gewölbet,
Sich in der weiten Ferne
Zur Erde niedersenket,
Warum vermag dein Ende
Ich nie, nie zu erreichen?
Wie oft, auf freier Ebne,
Lief ich aus allen Kräften
Dem Orte zu, wo freundlich
Die Erde du berührest,
Und sah, dort angelanget,
Mich jedesmal getäuschet:
Denn während meines Laufes
Warst mitleidslos du weiter
Gerückt. Wenn du mit mir doch
Verführst, wie manche Mutter,
Die, um ihr träges Kindlein
Zu üben, einen Apfel
Mit rothen Wangen oder
Die honigsüße Birne
Ihm in erhobner Hand zeigt,
Mit Worten es ermunternd.
Das Kind, das Obst zu haschen,
Stellt ein- und zwei- und vielmal
Sich auf die schwachen Füße,
Und zehnmal sind mißlungen
Die eifrigen Versuche.
Da läßt zuletzt die Mutter
Es des Erfolges seiner
Bemühungen sich freuen.
Ich klage nicht darüber,
Daß du das Ziel stets weiter
Und weiter rückest; laß mich
Nur endlich einmal deinen
Anmuth'gen Rand erreichen,
Und in die Wolken steigen,
Die, Hügelreihen ähnlich,
Auf ihm empor sich schichten.
Laß wie in einem Boote
Du mich von ihnen tragen
Von einem Ort zum andern,
Und aus der Luft die Erde
Mich unter mir erblicken
Gleichwie im Vogelfluge.
Sei du nicht bang, o Himmel,
Der Kopf wird mir nicht schwindeln.
Fahr' ich doch dreist im Kahne
Oft über all den Wundern
Der Wasserwelt, und sehe
In Reihen umgestürzte
Gebäude, Bäume, Thürme
Tief unter mir sich regen.
O laß dich, guter Himmel,
Ein einzig Mal erbitten!
 
 
 

Anmerkung des Herausgebers K. F. von Großheinrich:
 
Eine Erinnerung aus ihrer Kindheit. Wir glauben, daß die Leser mit uns einerlei Meinung sein werden, wenn wir behaupten, sie bearbeite dergleichen Stoffe mit einer ganz eigenen Gewandtheit, indem der ursprüngliche Stoff des Gedichts und das von ihr ihm Beigefügte von so gleichartiger Natur sind, daß das Ganze niemals das Ansehen einer Mosaik, sondern eines aus Einem Gusse hervorgegangenen Kunstwerkes hat.