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Francisca
(1894-
 
 Stoecklin
1931)
 
 
 
Einer Kranken Nachtsang
 
Mitten in der Nacht
bin ich aufgewacht.
Liege tief im Raum
oder in einem Traum.
Könnte ebenso gut dorten
wie hier stehn.
Einmal muß ja alles verwehn.
So entschieden
wie jene Sache auf dem Tisch
liege ich nicht.
Auch fehlt mir ein Licht.
Aber dann wäre ja alles zu nah
- oder zu fern.
Lieber ist mir jener Stern,
der durch das Fenster scheint,
oder eine Frau,
die fern von mir weint.
Wie durstig das Dunkel trinkt:
Alles in seinem Schlund versinkt.
Nur meine Schmerzen
nimmt es nicht ganz.
Einmal, da waren doch Tage voll Glanz!
Da man im Garten lief
und sich rief.
Im weißen Kleidchen
rote Beeren pflückte.
Der Liebste einen
mit Schlüsselblumen beglückte.
Einmal, da waren doch Tage voll Glanz!
Jetzt ist nur wilder Schmerzen Tanz.
O wie böse, wie gierig
das Dunkel alles verschlingt!
Die hellen Kleidchen, die warmen Beeren,
die weißen Hände, das Sonnenlicht.
Aber die Blumen,
die Schlüsselblumen,
gebe ich nicht.
Einmal, da waren doch Tage voll Glanz!