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Kathinka
(1801-
 
 Zitz
1877)
 
 
 
Das Sperlingspaar
 
Ein Spätzchen hing mit treuer Liebe
An einem schönen braunen Spatz;
Er hegte gleiche süße Triebe
Und wählt' es aus zu seinem Schatz.
Flog täglich hin zu seiner Trauten,
Bis sie sich ihm zu eigen gab;
Doch als sie noch ihr Nest sich bauten,
Da nahm bei ihm die Lieb' schon ab.
 
Er fliegt allein von Baum zu Baume,
Er flattert lustig weit und breit.
Betrübt ob dem entschwund'nen Traume,
Härmt sie sich still in Einsamkeit.
Statt daß ihn ihre Thränen rühren,
Er nur noch häuf'ger sie verläßt,
Und kehrt, da Andre ihn verführen,
Nur selten noch in's Ehenest.
 
Einst aber, als er nach drei Tagen,
Den Flug zurück nach Haus gewandt,
War er erstaunt, wie nicht zu sagen,
Als er daselbst Gesellschaft fand.
Es waren Freunde hergekommen,
Mit denen er noch nie verkehrt;
Sie waren freundlich aufgenommen
Und schienen seiner Frau sehr werth.
 
Der lockre Zeisig, der Zaunkönig,
Der Wachtelmann thut schön mit ihr,
Der Gimpel schmeichelt ihr nicht wenig,
Der Sprosser pfeift ihr etwas für.
Die Spätzin höret mit Entzücken
Des Finken fröhlichen Gesang,
Auch sieht sie mit vertrauten Blicken
Den Dompfaff an. - Dem Spatz ward bang.
 
Er sah wie Alle ihr hofirten,
Sie nahm die Huldigungen an
Als ob sie ihr mit Recht gebührten. -
Ei, wie verdroß das ihren Mann.
Und doch war sie nicht pflichtvergessen,
War ehrbar und verletzte nie
Die ihm gelobte Treu'. Indessen
Etwas Gefallsucht hatte sie.
 
Sie wollte ja nur lachen, scherzen,
Und mit den Frohen fröhlich sein,
Denn noch nahm ja in ihrem Herzen,
Der Treulose sein Plätzchen ein.
Durch ihre Rechtlichkeit bewahret,
Ward ihm nicht der verdiente Lohn -
Es ward ihm jede Schmach ersparet,
Und er kam mit der Angst davon.
 
Dies wußt' er nicht - drum rief mit Wüthen
Sein Weib er einst, um künftig sich
Die Hausfreunde fein zu verbieten,
Er schalt und tobte fürchterlich,
Flog um sie her in engen Kreisen
Und schwur, den kecken Vogel gleich
Mit seinem Schnabel zu zerreißen,
Der's wagen sollte, sein Bereich.....
 
»Allein plagt mich die Langeweile«,
Fiel ihm die Spätzin in das Wort:
»Bleib du zu Haus bei mir und theile
Mein Loos, ich jag' die Andern fort.
Kehrst du zu deinen Pflichten wieder,
Dann wird auch unsre Eh' gedeih'n,
Und singest du mir deine Lieder,
Dann mag der Fink sich heiser schrei'n.
 
Soll sich des Hauses Glück bewähren,
So einige man Herz und Sinn. -
Um mein Betragen zu erklären,
Gereichen wenig Worte hin.
Ich lebe jetzt als Sperlingsweibchen,
Doch willst du wie der Tauber sein
Ei nun, so werd' ich gleich zum Täubchen,
Und will mein ganzes Herz dir weih'n.«
 
Der Spatz nahm sich die Lehr' zu Herzen
Und bat um Gnade. In dem Nest
Fand er sein Glück bei Lust und Schmerzen,
Denn er hält an der Pflicht jetzt fest.
An Seelenwerth sich ebenbürtig,
Schätzt er das Weib, das er erkor. -
Der Spatz ward wieder liebenswürdig,
Die Spätzin liebt ihn wie zuvor.
 
Ihr Herrn, als Beispiel anzuführen,
Das Sperlingsmännchen, wag' ich nicht.
Es wird den Sinn euch schwerlich rühren,
Wenn ihr gewichen von der Pflicht.
Wird einer von euch je es wagen,
Wie er zu thun? ... Laut frag' ich an:
»Wer hat den Muth sich zu betragen,
Wie es der brave Spatz gethan?«