Zur Startseite
 
Inhalt      Register
 
 
< voriges Gedicht           nächstes Gedicht >
 
Anna Louisa
(1722-
 
 Karsch
1791)
 
 
 
Ode Auf die Geburt des jungen Prinzen von Preußen
 
Meine Seele taumelt, nicht berauscht vom Weine,
Im bemoosten Fasse hergebracht vom Rheine,
   Oder übers Meer gesandt;
Wonnetrunken bin ich, mich erfüllen deine
   Freuden, liebes Vaterland.
 
Alle Kinder jauchzen, alle Greise glühen;
Friedrich, dein Erhalter, wiegt auf seinen Knieen
   Diesen königlichen Sohn,
Den er dir zum Herrscher weislich wird erziehen,
   Und der Zögling lächelt schon.
 
Denn er scheint zu horchen, was sein Lehrer saget,
Der ihn zärtlich küßet, und ihn freundlich fraget:
   Ob er künftig sich bestrebt,
Daß er über alle seine Väter raget,
   Die bisher berühmt gelebt.
 
Liebling meines Herzens, spricht der große Weise,
Wie der müde Wandrer schmachtend Trank und Speise,
   Wie der Steuermann den Rand
Tiefer Fluten wünschet auf der weiten Reise:
   Also wünschte dich das Land.
 
Heil mir, daß du kamest! Heil sey deiner keuschen
Jugendlichen Mutter, die das Sehnsuchtsheischen
   Meines Volkes hat gestillt!
Du wirst meine Hofnung nimmer nimmer täuschen;
   Sie wird ganz in dir erfüllt.
 
Früh wirst du erkennen, daß man auf der Erde
Durch die Tugend jenem Herrscher ähnlich werde,
   Dessen Herrschaft ewig ist;
Und daß du dem Hirten bey der kleinsten Heerde
   Deine Güte schuldig bist.
 
Deine höchste Wollust wirst du mit Entzücken
In der Übung finden, Menschen zu beglücken,
   Und dafür geliebt zu seyn.
Keinem, als dem Schmeichler, wirst du zornig blicken,
   Und ihm nie dein Ohr verleihn.
 
Also redet Friedrich, seine Thränen feuchten
Diese Stirne, welche dermaleinst wird leuchten
   Über dich voll Gnad' und Huld.
Wohl uns, daß wir unsrer Wünsche Ziel erreichten
   Nach so langer Ungeduld.
 
Die verlebten Männer nebst den grauen Müttern,
Sprechen: Wohl euch, Enkel! Eure Kinder zittern
   Nie vor dem Erobrungsgeist!
Keine Donner werden diesen Thron erschüttern;
   Dieser Thron wird nie verwayst!
 
Töchter, streuet Blumen, bringet Opfergaben
Um die goldne Wiege; kleine muntre Knaben
   Macht ein Singechor, und sprecht:
O! du sollst zum Opfer unsre Herzen haben,
   Kind vom göttlichen Geschlecht!