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Thekla
(1866-
 
 Lingen
1931)
 
 
 
Ohnmacht
 
Du Ungeheuer,
Zehrend Feuer du!
Was streckst du lechzend deine Zunge aus?
Hinweg -
Ich will dir nicht zu Willen sein!
Sieh, wie sie locken mit den heissen Blicken,
Sieh, wie sie suchend ihre Finger spreizen,
Mit kundiger Hand den Gürtel mir zu lösen -
Und siedend steigen Wünsche in mir auf!
Ich sinke hin,
Ich muss in Schmach vergehn! ...
O, welche Kraft hat dich mir eingegeben,
Und welche Macht hat Sünde dich genannt! -
Und ist's denn Sünde,
Was so heiss und mächtig
In meinen Adern nach Befreiung schreit -
Wohlan, Natur,
Dich ruf ich klagend an!
Was gabst du mir den Bau der schlanken Glieder,
Der Lippen Rot, des Nackens Lilienweiss,
Der Augen Leuchten und des Mundes Lächeln,
Ein Herz, das mit gewaltigen Schlägen pochend
In junger Brust vor Lust und Wonne jauchzt -
Wenn du mir nicht der Keuschheit kühles Siegel
Als stumme Wehr auf meine Stirn gedrückt! ...
So muss ich trauern ob der reichen Gaben,
Die überfliessend Gram um mich verbreiten
Gleich jenem Trank, der perlenüberschäumend
Zur Lache ward auf reichbesetzter Tafel,
Den nimmersatten Fliegen näschige Speise ...
Du wusstest Mass zu halten nicht,
Du Weise, -
Und dein Geschöpf soll weiser sein als du! ...
So werf ich blutend meine Waffen hin,
Genug der Qual -
Ich will nicht stärker sein, als du mich machtest!
Nimm deinen Sieg!
Schweigend knie ich nieder
Und beug' mein Haupt und weine still -
Ein Weib ...