Zur Startseite
 
Inhalt      Register
 
 
< voriges Gedicht           nächstes Gedicht >
 
Elisabeth
(1808-
 
 Kulmann
1825)
 
 
 
Der Sonnenaufgang
 
Es schwingt die Nacht ihr dunkles
Gefieder und entweichet
Langsamen Flugs gen Norden.
Es zeigt in weißem Flor sich
Die Dämmrung in des Morgens
Geraumen Silberhallen,
Und weckt mit leisem Lispeln
Die Nachtigall. In festlich
Langsamem Ton beginnt sie
Ihr Lied zum Lob der Sonne;
Da naht im Purpurschleier
Die holde Morgenröthe,
Und streut die Fülle Rosen
Vom Morgenthor bis wo sich
Der Sonnenweg bemerkbar
In's Himmelblau erhebet.
Geendet hat ihr Loblied
Die Nachtigall; es tönet
Das laute Chor der Lerchen
Und andrer Sängerinnen,
Begleitet von Gesäusel
Des regen Laubs der Bäume....
Da sinken und verwandeln
Allmählig sich die weiten
Prachtvollen Säulenhallen
Des Morgenroths, und werden
Zu einem See von Purpur,
Wo Wellen gegen Wellen
Sich heben, sich bekämpfen,
Allmählig in einander
Verfließen, um auf's neu sich
Zu heben und zu kämpfen.
Doch seht! ein goldnes Meerschiff,
Geschmückt mit Strahlengarben,
Zertheilt die Purpurwogen
Mit herrscherischem Gange.
Es ist das Schiff der Sonne,
Der Königin des Weltalls.