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Elisabeth
(1808-
 
 Kulmann
1825)
 
 
 
Die Berge
 
Es gibt drei Arten Berge:
Der Erde Berge, Berge
Der Luft und Himmelsberge.
 
Der Erde heitre Berge
Erheben sich nur wenig,
Gleich Wogen oder Domen,
Auf meilenweiten Ebnen.
Sanft, unbemerkbar heben
Sie sich empor; man sieht es,
Daß ungern sie der Ebne
Und ihren stillen Reizen
Entsagen; auch behalten
Der Ebne klare Quellen,
Der Ebne dichte Büsche,
Die Vögel sie der Ebne,
Ja oft selbst ihre Hütten,
Und prangen im Gewande,
Worein Natur sie hüllet:
In holdem, heiterm Grüne
Erscheinen einzeln oder
In Reih'n sie unsern Blicken,
 
Nicht so die stolzen Berge
Der Luft. Wie Riesen stehen
In mächtiger Entfernung
Sie steil und schroff vor unserm
Erstaunten Aug'. Es badet
In tiefen Seeen, oder
Es senket sich in Sümpfe
Ihr Fuß, um uns den Zutritt
Zu ihnen zu versperren.
Zwar decket bis zur Hälfte,
Oft höher noch, der Fichte
Und Tanne dunkles Grün sie;
Doch stolz und Erd-verachtend
Umhüllt die theuren Söhne
Die Luft mit ihrem Mantel,
Und so erscheinen uns denn
Sie nicht mehr grün, erscheinen
Uns blau, wie Ihre Mutter.
 
Die Himmelsberg' erheben
Geheimnißvoll in's Reich sich
Der Wolken und berühren
Des Himmels heil'ge Schwelle.
Sie sind das Band, das Menschen
Und Gott vereinet. Höchstens
Trägt noch ihr Fuß die Spuren
Des Irdischen. Selbst aber
Sind sie in blendendweißen,
Flecklosen Schnee gekleidet,
Auf den die Morgenröthen,
Auf den die Abendröthen
Den ganzen Reichthum ihrer
Prachtvollen Farben strömen.
 
 
 

Anmerkung des Herausgebers K. F. von Großheinrich:
 
Ein Vorzug ihrer Dichtungen ist, daß sie eben so logischstreng als poetischreich sind. Unter hundert andern mag gegenwärtige zum Beispiele dienen.