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Helmina von
(1783-
 
 Chézy
1856)
 
 
 
Die Jungfrau im Zaubergarten
 
»Du schlanke Jungfrau, bleich und hold,
Was suchst im tiefen Wald?« -
»Zur weißen Zauberfrau ich wollt',
Wo ist Ihr Aufenthalt?«
 
»Wohl nimmer sucht die Zauberfrau,
Wer froh in Hütten lebt,
So sprich, du mit den Äuglein blau,
Was dir das Herz so bebt?«
 
»Ich trag im Herzen tiefes Weh,
Und bring es her zu dir.
Es ist so schwer; doch ach! ich fleh,
Nimm nicht mein Weh von mir!«
 
»Wohl stillen kann ich deine Pein,
Wohl lindern kauen ich sie,
Im Garten mein stehn Blümlein fein,
Dir alle nenn' ich hie!
 
Der Blümlein eines such' dir aus;
Siehst du das grüne Laub?
Es sieht so still und düster aus,
Dein Weh wird bald sein Raub!«
 
»Nicht will ich solch ein grünes Laub,
Nicht was das Weh mir stillt;
Viel lieber werd' ich selbst ein Raub
Vom allersüß'sten Bild!«
 
»So plück' ich dir die Blume da,
Die falsches Hoffen heißt;
Doch trage sie nicht allzunah,
Ihr Dorn dein Herz zerreißt!«
 
»Die falsche Blume nehm' ich nicht,
Mir bleibt sie immer fern,
Dort oben blüht mein's Blümleins Licht,
Dort schaut herab mein Stern!«
 
»So nimm die bunte, frische hin,
Den heitern Wankelmuth« -
»Nein, nicht nach dieser steht mein Sinn,
Im Tod ist Treu noch gut!
 
Hast du nur falsche Blumen hie?
Wo blüht die rechte dann?
In deinem Garten sucht' ich sie,
Und keine steht mir an.«
 
»So sprich nur, ob du jene willt,
Da blüht sie lilienweiß,
Wo hell der Bach im Perlen quillt,
Doch die ist kalt wie Eis!«
 
»Nicht nenn' ich sie doch kenn' ich sie,
Schon längst hegt sie mein Herz!«
Das Mägdlein ging und pflückte die,
Süß war der letzte Schmerz!