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Friederike
(1765-
 
 Brun
1835)
 
 
 
Ich denke dein [I]
 
Ich denke dein, wenn über Roms Ruinen
  Die Sonne sinkt!
Vom Abendroth durch Eichengrün beschienen
  Die heil'ge Tiber blinkt!
 
Dein denk' ich, wenn der grauen Vorwelt Schauer
  Der Hall' entschwebt!
Des Eppichs Netz an hoher Riesenmauer
  Im Mondstrahl silbern bebt!
 
Wenn in der Pinie ernstem Säulentempel
  Mein Aug' erquickt,
Betrachtung, Tiefsinn, eueren hehren Stempel
  Rings um sich her erblickt!
 
Dort an des Grabes ew'ger Piramide
  Warst du mir nah!
Mir nah als ich Orest der Eumenide
  Geweiht, voll Wehmuth sah!
 
Electra's hoher Sinn, und Weibesmilde
  Mich tief durchdrang!
Des Griechen Geist mir aus dem Marmorbilde
  Wie Saitenton erklang!
 
Im Lorbeerwald, wo die Zipresse dunkelt,
  Im Mirthenhain
Wenn über mir des Himmels Bogen funkelt
  Denkt meine Seele Dein!
 
Ach dein, wenn über Tod, und Grab, und Erde,
  Mein Geist sich schwingt!
Des Schöpfers zweyter Allmachtsruf es werde
  Auch meine Gruft durchdringt.
 
Wenn Nemesis, was strenge du gefodert
  Ist abgebüßt -
Und Psyche, der nicht mehr die Fackel lodert,
  Vergelterin dich grüßt!