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Kathinka
(1801-
 
 Zitz
1877)
 
 
 
Clemence Isaure
 
Clemencen galten Lautrec's Triebe,
Ihr Bild erfüllte sein Gemüth!
Sie lohnt' ihm bald mit Gegenliebe,
War ihm in gleicher Gluth erglüht.
Oft träumte sie in trauter Stille
Vom nahen seligen Verein;
Doch ach! des Vaters harter Wille
Stimmt nicht mit ihren Wünschen ein.
 
Schon hat er den Gemahl erkoren
Und führet zu Isauren ihn;
Doch treu dem Bund, den sie beschworen,
Sinkt sie zu seinen Füßen hin.
»Du, der das Dasein mir gegeben,
Bereitest kalt mir diesen Schmerz?
Dir, Vater, dir gehört mein Leben,
Doch Lautrec hat mein ganzes Herz.«
 
"Ha! - rief der Greis - du willst es wagen,
Dich widersetzen meiner Macht?
Wohl, Täubchen! du sollst Fesseln tragen,
Und büßen tief in Kerkers Nacht.
Dort magst du um den Buhlen trauern,
Wo kaum das Licht der Sonne tagt."
Der Jüngling hört's, umkreist die Mauern,
Wo einsam die Geliebte klagt.
 
Um Mitternacht klang eine Zither,
Sanft störend ihre kurze Ruh'!
Sie klomm zum kleinen Fenstergitter,
Rief weinend dem Geliebten zu:
»Mein süßer Freund, hemm' deine Klage,
Dir wahr' das Herz ich ewiglich!
Leicht sind die Ketten, die ich trage,
Denn gerne trag' ich sie für dich.
 
»Doch vor des Vaters Zorn entfliehe,
Biet' länger seiner Macht nicht Trutz.
Zum Hofe König Philipps ziehe,
Fleh' ihn für uns're Lieb' um Schutz!
Nicht länger kann ich mit dir kosen;
Als Pfand von meinem treuen Sinn
Nimm hier den Kranz von wilden Rosen,
Von Ringelblumen, Veilchen hin.
 
»Ich lieb' des Veilchens sanfte Bläue,
Die Rose kündet dir mein Herz -
Sie ist ein Bild der Lieb' und Treue;
Die Ringelblume deutet Schmerz.
Die Blumen, feucht von meinen Thränen,
Nimm hin mit meinem Scheideblick!
Sie rufen dir mit leisem Sehnen
Stets unser Lieb' und Leid zurück.«
 
"Leb' wohl, - rief er - du mein Entzücken!"
Und scheidend winket seine Hand.
Sie sah ihm nach mit nassen Blicken,
Bis er im nahen Wald verschwand.
Gedenkend stets an seine Dame,
Träumt er vom Wiedersehungstag.
Laut tönt Clemencens süßer Name,
Und jedes Echo tönt ihn nach.
 
In Frankreich hört er Kriegestöne,
Laut schallet der Trompete Ton,
Denn Englands tapfre Heldensöhne
Belagerten die Wälle schon.
Die Schlacht begann, und tapfer kriegte
Der Franken Schaar Mann gegen Mann;
Doch weh'! die Macht des Feindes siegte,
Es flüchtet, wer dem Tod entrann.
 
Nur Einer kämpft noch im Gedränge
Fort gegen Englands Übermacht;
Der Jüngling sieht's, er theilt die Menge,
Sonst sänk' der Greis in Todesnacht.
Von seinem Schwerte Funken sprühen,
Und blutend sinket er im Streit,
Doch Edwards muth'ge Streiter fliehen,
Isaurens Vater ist befreit.
 
Sein Blut entströmt aus fünfzehn Wunden;
Er suchte Ruhm und Ehre sich
Und hatte nur den Tod gefunden.
Schon fühlend, wie das Leben wich,
Sprach er zum Greis: »Ich hab' vergeben;
Verworfen hast du mich als Sohn,
Ich opf're dir dafür mein Leben;
Dies meine Rache - und mein Lohn.
 
»Mein Scheiden trübe keine Klage,
Erfülle nur die letzte Bitt':
Beglücke du Clemencens Tage,
Und bring' mein Lebewohl ihr mit.
Gieb du ihr diese Blumen wieder,
Sie sind gefärbt mit meinem Blut;
Leg' sie in ihre Hände nieder,
Sie waren stets mein höchstes Gut.«
 
Er starb. Der Ritter stieg zu Rosse
Und eilt auf wohlbekannter Bahn
Zum stark bewehrten Ritterschlosse,
Und kündet Lautrec's Tod dort an.
Isaure welkt in stummem Harme,
Sie schreibt den letzten Willen auf;
Und schmerzlich weinend schloß die Arme
Dann ihren trüben Lebenslauf.
 
Auf daß ihr Ruhm der Nachwelt bliebe,
Alljährlich auf Toulousens Flur,
Zum Angedenken ihrer Liebe,
Erhält der beste Troubadour,
Begierig nach dem schönen Loose,
Zu seiner Lieder Ehrensold
Die Ringelblume, Veilchen, Rose,
So wollte sie's, von ed'lem Gold.